Die Podiumsdiskussion zur NRW-Landtagswahl am Franz-Meyers-Gymnasium

Am letzten Donnerstag fand sie nun endlich statt: Die von der SV unter Mithilfe von Frau Vollbach organisierte Podiumsdiskussion zur NRW-Landtagswahl 2017 im PZ des Franz-Meyers-Gymnasiums (FMG).

Beim Betreten des Saals bemerkte man sofort die Arbeit, die hinter dieser Veranstaltung steckte: Die Jahrgangsstufe Q1 hatte einen Getränke- und Snackstand organisiert, die SV bereitete die Bühne vor und versteckte die Präsente für die Gäste, nachdem sie das PZ bestuhlt hatte, Jan Wimmers aus der Q1 machte den Toncheck und die Moderatorin des Abends, Frau Birgit Krapp, traf unsere Gäste zu einem „Briefing“ vor der Diskussion.

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Das PZ füllte sich langsam, als die Politiker im Saal erschienen: Frank Boss (CDU), Hans-Willi Körfges (SPD), Lena Zingsheim (Grüne), Daniel Winkens (FDP) und Rohat Yildirim (Linke). Sie nahmen zunächst vor der Bühne Platz, da die Schülerinnen und Schüler nach einer Begrüßung der Schülersprecherin Dana Paulussen eine kurze Einführung in die beiden Hauptthemen des Abends mit Hintergründen und Statistiken als Präsentation vorbereitet hatten. Da die Themen „Flüchtlingssituation und Integration von Flüchtlingen“ und „Schulpolitik in NRW“ im Vorfeld von den älteren Schülerinnen und Schülern als für sie besonders relevant bewertet wurden, standen diese im Fokus.

Daraufhin begann die eigentliche Diskussion, die auch Raum für Fragen aus dem Publikum bot. Nach einer Vorstellungsrunde, bei der Frau Krapp nach den Beweggründen fragte, warum die jeweiligen Kandidaten sich für die Politik entschieden hatten, wurde der erste große Themenblock zur Flüchtlingspolitik eingeleitet. Im Folgenden werden die Beiträge der Kandidaten hierzu kurz dargestellt:

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Einig waren sich die Kandidaten, dass die Aufnahme von Flüchtlingen ein humanitärer Akt sei, und daher grundsätzlich zu befürworten sei. Zudem bestand Konsens, dass vor allem die Fluchtursachen bekämpft und die „Lasten“ fairer in Europa verteilt werden müssten. Verneint wurden zudem jeglicher Populismus und Radikalismus in Flüchtlingsfragen. Über diese allgemeinen Äußerungen hinaus kristallisierten sich jedoch inhaltliche Unterschiede bei den Kandidaten heraus, sobald es konkreter wurde: Frau Yildirim bezichtigte die Bundesrepublik Deutschland der Kriegstreiberei, da sie durch Waffenexporte und die Präsenz der Bundeswehr im Nahen Osten einerseits Kriegspartei sei und andererseits die Hauptfluchtursache (Krieg in Syrien und dem Irak) verstärke. Sowohl das Publikum als auch die anderen Kandidaten der Runde wollten das so nicht stehen lassen: Es folgten heftiger Widerspruch und deutliche Gegenargumente, sowie Nachfragen, beispielsweise zur Rolle Russlands in Syrien. Waffenexporte, z. B. nach Saudi-Arabien, wurden trotz Genehmigung durch den damaligen SPD-Wirtschaftsminister Gabriel allerdings von allen kritisch gesehen. Darüber hinaus wurde über „Sichere Herkunftsländer“ und die Abschiebepraxis diskutiert, wobei der SPD-Kandidat Hans-Willi Körfges von der Linie seiner Bundespartei abwich, und zu verstehen gab, dass einige genehmigte Abschiebungen, beispielsweise nach Afghanistan, nicht durchgeführt werden sollten. Zudem waren sich alle darüber einig, dass es keine Kontingentierungen und Obergrenzen, oder finanzielle Einschränkungen von Förderprogrammen geben solle.

Auf die Integration der Flüchtlinge in NRW und vor Ort in Giesenkirchen angesprochen, waren sich wiederum alle Kandidatinnen und Kandidaten einig, dass deutlich mehr, vor allem im Bereich Bildung, getan werden müsse. Frank Boss stellte hierzu die deutlichen Defizite an den Schulen NRWs dar: Eine zu geringe Personaldecke, zu große Klassen, ein zu geringes Raumangebot und eine meistens nicht vorhandene psychologische und sonderpädagogische Ausbildung der Lehrerinnen und Lehrer wurden angemerkt. Es müssten mehr Lehrer vor allem für Sprach- und Integrationskurse eingestellt werden, und besonders im Grundschulbereich endlich Entlastungen für die „arg gebeutelten“ Grundschullehrerinnen und -lehrer geschaffen werden. Kleinere Lerngruppen, Entlastung bei der ebenfalls gescheiterten Inklusion und zusätzliche pädagogische Unterstützung durch externes Fachpersonal seien hier nötig. Von Frau Zingsheim als Vertreterin der in Bildungsfragen verantwortlichen Grünen wurde hierauf wenig erwidert. Sie wies lediglich darauf hin, dass Fachpersonal erst noch ausgebildet werden müsse. Frau Yildirim wolle das Anforderungsniveau senken, damit Flüchtlingskinder nicht abgehängt würden. Herr Winkens schloss sich in seiner Argumentation Herrn Boss an und verwies zudem auf die katastrophale räumliche und technische Ausstattung der Schulen in NRW. Auf Nachfrage aus dem Publikum stimmte Herr Körfges als Regierungsvertreter mit dem Fragesteller überein, dass man sich neben der Flüchtlingsintegration, für die sehr viel Geld aufgewendet wird, auch um die Verlängerung der Förderprogramme in Schule und Wirtschaft für bereits länger in Deutschland lebende Migranten kümmern müsse.

Nun folgte der deutlich emotionalere Teil des Abends: die Debatte über die Schulpolitik. Viele Fragen aus dem Publikum, und hier vor allem seitens der Schülerschaft, waren hier sicher. Zunächst wurde, anknüpfend an die oben bereits dargestellte Situation bezüglich der Integration der Flüchtlinge, von Herrn Boss und Herrn Winkens die desolate Lage der meisten Schulen in NRW und die geringe Attraktivität des Lehrerberufs dargestellt: „Schulen in der technologischen Steinzeit“, Lehrermangel, zu große Lerngruppen, grauenhafte Bausubstanz, zu wenige Räume, gescheiterte Inklusion, Unterrichtsausfälle, systematische und einkalkulierte Überforderung und Gängelung von Lehrerinnen und Lehrern durch Bürokratie und psychologischen Stress an allen Schulen und keine Rücksichtnahme auf individuelle und lokale Probleme charakterisierten das Schulwesen in NRW. Die Schilderung einer Schülerin des FMG, die den ständigen Lehrerwechsel in der EF beklagte, machte den akuten Lehrermangel ebenfalls deutlich. Herr Bruder, der Schulleiter des FMG, räumte darüber hinaus ein, dass auch das FMG Unterrichtsausfälle zu verkraften habe, die zwar schlimm, aber nicht erkennbar überdurchschnittlich seien. CDU und FDP möchten hier vor allem durch ein höheres Investitionsprogramm und die Schaffung von deutlich mehr Lehrerstellen entgegenwirken. Herrn Winkens war die schnellstmögliche Digitalisierung der Schulen sehr wichtig. Herr Körfges und Frau Zingsheim verwiesen als Vertreter der Regierungsparteien auf die „guten Resultate“ der Landesregierung bei der Lehrereinstellung und bei der Inklusion. Sie mussten sich jedoch bei einer Nachfrage aus dem Publikum „Gleichmacherei“ und „Ungerechtigkeit“, sowie die „Schwächung der Gymnasien“ vorwerfen lassen. Frau Yildirim sah das „gemeinsame Lernen“ über die Grundschule hinaus, das weitere Absenken des Leistungsdrucks und der -anforderungen, sowie die Abkehr vom Fachunterricht, also der Wissensvermittlung, als wichtige Aspekte zur Verbesserung des Schulwesens in NRW an. Sowohl Frau Zingsheim als auch Herr Körfges forderten zur Verbesserung der Attraktivität des Lehrerberufs die Vereinheitlichung der Lehrerbesoldung für alle Schulformen mit einem Einstiegsgehalt der Besoldungsstufe A13 (Studienrat an Gymnasien), und deuteten somit eine Abkehr vom mehrgliedrigen Schulsystem an. Die Stärkung der Wissensvermittlung und die Vorbereitung auf eine akademische Karriere schienen eher nachrangig zu sein.

Kein Kandidat forderte die Abschaffung des achtjährigen gymnasialen Bildungsganges (G8). Die CDU und die FDP möchten die Schulen selbst entscheiden lassen, ob sie G9 wieder einführen wollen. Die SPD und Grünen tendieren hingegen dazu, die Schülerinnen und Schüler individuell entscheiden zu lassen, so dass G8 und G9 an den Schulen parallel angeboten werden solle. Diese Äußerungen wurden vom Publikum mit größerem Raunen begleitet. Zudem ließ sich keiner auf eine Klassengröße von höchstens zwanzig Schülerinnen und Schülern ein, wie vom Publikum gefordert. Finanzielle Zwänge stünden dahinter.

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Nach einer kurzen Schlussrunde war die Veranstaltung nach etwa zwei Stunden beendet, und Dana Paulussen bedankte sich mit dem SV-Vorstand im Namen der Schülerschaft mit kleinen Präsenten bei allen Beteiligten. Vor allem die Schülerinnen und Schüler hätten gerne noch länger diskutiert. Frau Krapp als Moderatorin gelang es, den Abend professionell und abwechslungsreich zu moderieren, die Debatte voranzutreiben, die unterschiedlichen politischen Lager gleichmäßig zu Wort kommen zu lassen und das Publikum zu integrieren. Ihr gilt der besondere Dank aller Beteiligten und des Franz-Meyers-Gymnasiums.