In den Ferien erreichte uns die traurige Nachricht, dass Günter Imdahl im Alter von 90 Jahren verstorben ist.
Günter Imdahl war am Giesenkirchener Gymnasium ein Mann der allerersten Stunde. Als am 10. September 1974 der Gymnasialbetrieb in Giesenkirchen mit zwei Klassen startete, war Günter Imdahl dabei. Gerade war er an das Gymnasium Odenkirchen versetzt worden. Und in der Zweigstelle des Gymnasiums Odenkirchen, in Giesenkirchen, wurde er gleich mit 10 Unterrichtsstunden eingesetzt.
Ich erinnere mich noch an den ersten richtigen Schultag nach der Begrüßung der neuen FünftklässlerInnen mit der Stundenplan- und Bücherausgabe.
Am Ende dieses Schultages stand Englisch mit Herrn Imdahl auf dem Plan. Laut Stundenplan war Herr Imdahl aber nicht nur der Englischlehrer unserer 5E, sondern auch der katholische Religions- und Sportlehrer.
Der neue Lehrer trat freundlich und bestimmt auf, in der Klasse war es mucksmäuschenstill, was bei nahezu 40 SchülerInnen ja keine Selbstverständlichkeit ist. Von Anfang an strahlte Günter Imdahl eine natürliche Autorität aus. Er gab uns einen Überblick, worauf es ankäme in seinem Unterricht und – daran erinnere ich mich heute noch gut – dass er Angeber überhaupt nicht leiden könne. Das fand ich prima, da waren wir ja schon zwei.
Englisch entwickelte sich gleich in den ersten Wochen zu einem meiner Lieblingsfächer, auch wenn ganz schnell klar war, dass wir in Englisch richtig arbeiten mussten. Neben regelmäßigen Vokabeltests mit strenger Bewertung gab es Noten für das Lesen, für das Übersetzen und selbst für die Hausaufgaben(!). Wenn es schriftliche Hausaufgaben gab (und das war nicht selten der Fall), ließ Günter Imdahl sich mindestens zwei Hausaufgaben vorlegen, die auf Richtigkeit durchgesehen und bewertet wurden. Das bedeutete natürlich ganz besondere Sorgfalt bei der Hausaufgabenanfertigung. Darüber hinaus förderte Günter Imdahl aber auch eine ordentliche Handschrift, indem es für die Hausaufgaben eine Ordnungsnote gab. Jede Stunde ging er durch die Reihen, begutachtete, wie ordentlich die Aufgaben gemacht worden waren und schrieb die entsprechende Note mit Rotstift unter die Hausaufgaben. In wirklich keinem anderen Fach habe ich mir mit den Hausaufgaben so viel Mühe gegeben.
Was mir in der Rückschau noch einfällt: wir haben viel gesungen im Englischunterricht – vom „Good morning, Mr Imdahl!“ über weitere unzählige kleine Kanones wie „Kookaburra sits in the old gum tree“ oder „Chairs to mend, oh chairs to mend“ bis hin zu Robert Burns´ „Should auld acquaintance be forgot“. Da hatte Günter Imdahl ein schier unerschöpfliches Repertoire. Uns hat das Singen im Unterricht immer Spaß gemacht, auch wenn es leider ja insgesamt etwas aus der Mode gekommen.
Ich habe den Englischunterricht als sehr abwechslungsreich und nie langweilig in Erinnerung. Das lag vor allem an Günter Imdahls Persönlichkeit, bei dem der Humor nie auf der Strecke blieb.
Zudem war er ein begnadeter Vorleser. Wenn Günter Imdahl den Eindruck hatte, wir bräuchten mal eine Lernpause, dann hatte er in seiner Tasche als ständigen Begleiter zunächst Ludwig Thomas „Lausbubengeschichten“ dabei, aus denen er uns vorlas und die bayerische Welt eines „Lausbuben“ um 1900 lebendig werden ließ. Was haben wir über die Streiche des jungen Thoma, über Tante Frieda und den „Kindlein“ gelacht! Später dann, als wir alle Lausbubengeschichten kannten, entdeckte Günter Imdahl den israelischen Satiriker Ephraim Kishon für uns. Davon war ich so fasziniert, dass ich mir alle Werke Kishons gekauft und verschlungen habe.
Im katholischen Religionsunterricht des 5. Schuljahres haben wir, wie sich das gehört 😊 , mit der Bibel und der Schöpfung angefangen. Die Texte, die Günter Imdahl uns ins Heft diktiert hat (Religionsbücher gab es für uns keine), haben mir später als jungem Religionslehrer sehr geholfen. Bis heute greife ich beim Thema „Bibel“ auf das zurück, was wir bei Günter Imdahl gelernt haben.
Wie kann man seinen Religionsunterricht treffend beschreiben? Brilliant? Faszinierend? Einzigartig? Irgendwie alles. Ich kann mich an keinen anderen Unterricht meiner Schulzeit erinnern, in dem ständig (fast) alle Finger oben waren, in dem wir SchülerInnen so motiviert waren, vor allem als wir die Gleichnisse Jesu besprochen haben. Günter Imdahl war ein absoluter Motivationskünstler, der mir große Freude am Religionsunterricht vermittelt hat. Und auch hier gab es die erwähnten „Auszeiten“ mit Ludwig Thoma und Ephraim Kishon.
Als wir nach drei Jahren einen anderen Religionslehrer bekamen, nahm sich einer aus unserer Religionsgruppe ein Herz und fragte, sicher in unser aller Namen, enttäuscht, warum wir ihn nicht mehr als Religionslehrer hätten… Gibt es für einen Lehrer ein schöneres Kompliment?
Bleibt als letztes der Sportlehrer Günter Imdahl.
In meiner Erinnerung und zu meinem Leidwesen war er ein leidenschaftlicher Geräteturner. Deshalb war es immer etwas Besonderes, wenn Ballspiele angesagt waren, besonders Sitzfußball. Neben der Sporthalle fand unser Sportunterricht auch regelmäßig in der Schwimmhalle statt, zunächst im Lehrbecken in Giesenkirchen, später dann sind wir mit dem Schulbus zur Pahlkestraße gefahren.
Uns allen richtig Schwimmen beizubringen und die fehlenden Abzeichen (Frei-, Fahrten- und Jugendschwimmer) zu erwerben, sah Günter Imdahl als eine wichtige Aufgabe an. Da meine Mitschüler (koedukativen Sportunterricht gab es noch nicht) und ich zur sogenannten Freibadgeneration gehören, musste aber kaum einer bei Null anfangen.
Auch im Sportunterricht schaffte Günter Imdahl es, unsere Fähigkeiten und Stärken in den Vordergrund zu stellen und zu fördern. Während ich beim Geräteturnen eine ziemliche Niete war, hat Günter Imdahl mir beim Fußball recht bald die Pfeife in die Hand gedrückt. Für mich als 11/12jährigen war das ein enormer Vertrauensbeweis (mit 17 habe ich dann auch die Schiedsrichterprüfung gemacht).
In allen drei Fächern war der Unterricht stets geprägt von Wertschätzung, beständigem Schülerlob und Berechenbarkeit – alles Dinge, die eigentlich selbstverständlich sein sollten, es aber längst nicht sind.
Nach der 8. Klasse habe ich Günter Imdahl nicht mehr als Fachlehrer gehabt, obwohl ich am ersten Schultag eines neuen Schuljahres immer mit einem Stoßgebet den neuen Stundenplan erwartete und gehofft habe…
Als ich 1994 dann Teil der Fachschaft katholische Religion am FMG wurde, hat Günter Imdahl mir sofort das „Du“ angeboten. Zwei Jahre haben wir noch gemeinsam unterrichtet und im Lehrerzimmer am selben Tisch gesessen, uns über Gott und die Welt ausgetauscht und die Pausen miteinander verbracht.
Am 3. Juli 1996 ist Günter Imdahl dann in den Ruhestand verabschiedet worden.
Unser damaliger Schulleiter, Dr. Gerd Schweicher, sagte bei der Verabschiedung u.a. Folgendes:
„In den Unterrichtsfächern Englisch, katholische Religion und Sport haben Sie 22 Jahre an dieser Schule gewirkt. Von Schülern und Eltern werden Sie als Lehrer geschätzt, bei dem man viel lernt, für dessen Unterricht man konsequent arbeiten muss. Sie sind als ein Lehrer bekannt, der viel pädagogisches Gespür besitzt und seine Schüler zu motivieren versteht. Für uns, ihre pädagogischen Mitstreiter, sind Sie schließlich ein Mann, den wir als Kollegen vermissen werden, wenn Sie in Zukunft nicht mehr jeden Tag unter uns sind.“
Nach seiner aktiven Laufbahn und sage und schreibe 40 Dienstjahren konnte Günter Imdahl dann auch seiner Reiselust ausgiebig frönen.
Immer wieder haben wir uns später bei Ehemaligentreffen oder auch zu besonderen Anlässen in der Schule getroffen, und auch da habe ich Günter Imdahl immer als herzlichen und fröhlichen Menschen in Erinnerung.
Als mich mein ehemaliger Klassenlehrer und Freund Paul Dassen Anfang des Jahres daran erinnerte, dass Günter Imdahls 90. Geburtstag bevorstehe, habe ich mir einen großen Erinnerungszettel auf den Schreibtisch gelegt. Am 25. Juni hatte ich dann Gelegenheit, Günter Imdahl noch einmal zu sehen und ihm persönlich zu seinem runden Geburtstag zu gratulieren und Danke zu sagen. Wir konnten in Erinnerungen schwelgen und vergangene Zeiten lebendig werden lassen. Unser Gespräch hat mich in seiner Freundlichkeit und Herzlichkeit tief beeindruckt zurückgelassen.
Wenige Wochen später, am 12. Juli, ist Günter Imdahl gestorben. Am 23. Juli haben wir ihn zu Grabe getragen.
Unsere aufrichtige Anteilnahme gilt seinen drei Töchtern und ihren Familien.
Schließen möchte ich meine Erinnerungen an einen wunderbaren Menschen und Lehrer mit dem Psalmgebet aus der Todesanzeige der Familie:
„Denn der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen. Dass sie dich auf ihren Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einem Stein stoßest.“ (Ps 91,11f.)
Lieber Günter, mögest du ruhen in Gottes Frieden. Wir werden dich nicht vergessen.
Achim Warner